Bremsen
Lt. BOStrab § 36 müssen Straßenbahnen mindestens zwei unabhängige Bremsen besitzen. In der Regel kommen bei der Straßenbahn drei unabhängige Bremssysteme zur Anwendung. Bei Ausfall einer Bremse müssen die anderen Bremssysteme den Zug zum Stillstand bringen. Folgende drei Bremssysteme kommen bei der Straßenbahn zur Anwendung:
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» Elektrische Widerstandsbremse (Motorbremse)
Die Fahrmotore der Straßenbahn werden beim Bremsen von der Fahrleitung getrennt und arbeiten als Generator. Die die Fahrzeugbewegung wird im Anker des Fahrmotors eine Spannung erzeugt. Der Motor ist über Widerstände kurzgeschlossen. Beim Umschalten von Fahren auf Bremsen, muss der Anker des Fahrmotors umgepolt werden.
Mit abnehmender Motordrehzahl sinken auch die induzierten Bremsspannungen und -stromstärken. Dadurch müssen durch schrittweises Abschalten der Vorwiderstände Spannung, Strom und Bremsmoment auf einen mittleren Wert gehalten werden. Der Mittelwert diese Moments bestimmt die mittlere Verzögerung des Fahrzeuges.
Die elektrodynamische Widerstandsbremse lässt sich nicht bis zum Stillstand des Fahrzeuges ausnutzen, da bei geringer Motordrehzahl keine wirksame Bremsspannung mehr indiziert wird. Die erzeugte Bremsspannung dient auch zum Betreiben der Beiwagenbremssolenoide.
Der erzeugte Strom baut ein magnetisches Feld auf. Diesen Vorgang wird als Selbsterregung bezeichnet. Die Selbsterregung ist zu Beginn der Bremsung noch nicht in voller Höhe vorhanden, sie steigert sich jedoch verhältnismäßig rasch (Schwellzeit). Eine schnellere Bremsbereitschaft wird erreicht, indem die Feldspulen aus einer fremden Spannungsquelle (z.B. Batterie) speist, da dann die Zeit für den Aufbau des Magnetfeldes (Schwellzeit) entfällt.
Vorteile der elektrodyn. Widerstandsbremse gegenüber der Druckluftbremse:
» gute Anpassungsfähigkeit an die sich durch die Besetzung ändernde Zugmasse und an die Streckenverhältnisse,
» bei Überbremsung tritt eine gewisse Selbstregulierung ein, durch die Haftreibung (ohne Gleiten der Räder) optimal ausgenutzt wird,
» stets einsatzbereit, unabhängig von der Temperatur oder von den Schienenverhältnissen (z.B. isolierte Gleisabschnitte),
» keine besondere Einrichtung erforderlich, demzufolge auch kein zusätzlicher Wartungsaufwand.
Mit der Solenoidbremse, auch Kernbremse genannt, werden die Straßenbahnbeiwagen gebremst. Sie besteht aus den Bremssolenoiden (elektrischer Teil) sowie den Bremsgestängen und Bremsbacken (mechanischer Teil).
Funktion:
Bei Betätigung der elektrischen Widerstandsbremse wird die Magnetspule vom Strom durchflossen. Sie zieht den mit den Bremsgestängen (Zugstange) verbundenen Eisenkern an. Von der Zugstange wird die Kraft über das Bremsgestänge auf die Bremsbacken übertragen.
Auf die ebenen Seitenflächen einer auf dem Radsatz oder neben dem Einzelrad befestigten, umlaufenden Bremsscheibe werden Bremsbacken angedrückt. Die Kraftwirkung ist axial.
Die gusseiserne Bremsscheibe besitzt der guten Wärmeabfuhr wegen eine große Oberfläche. Die Bremsbacken sind aus einem speziellen verschleißarmen, asbestfreien und temperaturbeständigen Kunststoff hergestellt. Eine große Kraftangriffsfläche bringt geringe Flächenpressung mit sich.
Der Verschleiß der Bremsbacken wird durch selbsttätig wirkende NachsteIler im Bremskraft-Übertragungsgestänge ausgeglichen, sodass der Hebelweg konstant bleibt. Raumsparend ist die Ausführung der Scheibenbremse mit direkt angeflanschtem Bremskrafterzeuger. Die Scheibenbremse wird direkt vom Bremsgestänge betätigt. Das Bremsgestänge kann zum einem vom Bremssolenoiden, als auch von der Abreiß- bzw. Handbremse betätigt werden.
Bremsscheibe Dresden 20.04.2013 © Marcel Götze |
Radsatz mit Bremse Jena 02.06.2012 © Marcel Götze |
Als Feststellbremse wird in aller Regel eine Trommelbremse verwendet. Man unterscheidet zwischen Außenbacken- und Innenbeckentrommelbremse.
Bei Außenbackentrommelbremsen wirken die Bremsbacken (mit Belägen) von außen auf die Bremstrommel. Die Bremstrommel ist der umlaufende Teil. Bremsbacken, Nocken und Abstützbolzen sind am Bremsträger befestigt.
Bei der Innenbackentrommelbremse werden die Bremsbacken (mit Beläge) von innen gegen die Bremstrommel gepresst.
Im Gegensatz zur Scheibenbremse ist auf die rotierende Achswelle eine Bremstrommel aufgezogen. Die in ihrer geometrischen Form der Bremstrommel angepassten Bremsbacken üben ihre Kraft radial auf deren gekrümmte Flächen aus. Je nach Lage der Reibpartner zueinander wird in Außen- und Innenbackenbremse unterschieden.
Die Trommelbremse wird bevorzugt auf den Motorantriebswellen, d.h. vor dem mechanischen Getriebe, angeordnet. Die Vorteile sind:
» geringer Kraftaufwand beim Bremsen infolge des relativ kleinen Drehmomentes und
» kurzer Hebelweg und damit Raum sparende Kraftübertragungseinrichtungen.
Der Bremssattel mit den Bremsbacken umspannt die Trommel und wird zum Lösen von einem Nocken von der Oberfläche abgehoben. Beim Bremsen hingegen presst er sich, unterstützt durch Federkraft, auf die Reibfläche der umlaufenden Bremstrommel.
Die Federspeicherbremse (FSB) wird als Feststellbremse verwendet. Sie setzt sich aus der Backenbremse (siehe » Trommelbremse) und dem Bremsbetätiger zusammen. Der Urzustand der FSB ist immer angelegt, sodass bei Störungen der Wagen festgebremst ist.
Funktion:
Fließt durch die Magnetspule (1) ein elektrischer Strom, wird der Magnetkern (2) angezogen. Er überwindet dabei den Druck der Feder (8). Durch die Hebelübersetzung (6) wird der Betätigungshebel (12) verstellt und der mit ihm verbundene Zeiger weist auf Stellung "gelöst". Wird der die Spule durchfließende Strom unterbrochen, zieht die Feder (8) die Bremsbacken an. Bei einer Störung kann die Federspeicherbremse auch von Hand durch Umklappen des Betätigungshebels (12) gelöst werden.
Die Schienenbremse arbeitet· ebenfalls nach elektromagnetischem Prinzip. Die Bremsmagnete sind paarweise federnd in Führungen des Fahrwerkes über den Fahrschienen aufgehängt. Damit die Höhenlage der Magnete mit 6-10 mm über Schienenoberkante gleich bleibt, ist die Aufhängung mit der Achs- bzw. Radlagerung mechanisch verbunden. Bei Aktivierung pressen sich die Magnete mit ihren Schleifkufen mit jeweils ca. 50 kN auf die Schienenköpfe. Rückstellfedern heben die Magnete nach Abschalten wieder an.
Als Spannungsquelle dient in der Regel das Bordspannungsnetz. Bei älteren Fahrzeuggenerationen wurde auch mit Fahrdraht- bzw. geminderter Spannung der elektrodynamischen Bremse gespeist. Der Nachteil bestand darin, dass bei Ausfall der Fahrdrahtspannung die Schienenbremsen nicht wirksam waren.
Funktion:
Durch Betätigung der Schienenbremse baut sich ein elektromagnetisches Feld in der Magnetspule auf und presst die Schleifkufen ans Gleis.
Nach Beendigung der Betätigung werden die Schleifkufen durch die Rückzugsfeder wieder in die Endlage angehoben.
Die Schienenbremse kann durch eine Gefahrenbremse mittels Sollwertgeber, Bremspedal oder Notbremstaster betätigt werden. Auch durch Zugtrennungen werden bei neueren Fahrzeugen die Schienenbremsen aktiviert um den abgetrennten Zugteil schnellstmöglich zum Halten zu bekommen.
Schienenbremse Dresden 20.04.2013 © Marcel Götze |
Schienenbremse Jena 02.06.2012 © Marcel Götze |
Schienenbremse Halberstadt 08.06.2013 © Marcel Götze |
Bei einer ungewollten Zugtrennung zieht sich die Abreißkette, die am vorderen Wagen durch einen Karabinerhaken verbunden ist, straff. Diese wird über eine Umlenkrolle zur Zahnstange geführt. Dadurch wird die Zahnstange in Fahrtrichtung herausgezogen, die Sperrklinke in der Zahnstange verhindert ein Zurückstellen. Die Zahnstange ist am anderen Ende mit dem Bremsgestänge der Handbremse verbunden, dieses wiederum zieht den Bremsausgleichsbalken an und die Zangenbremse legt sich an. Beim Festbremsen des abgetrennten Beiwagens bricht die Sollbruchstelle am Karabinerhaken.
Zum Lösen der Abreißbremse muss nur der Lösehebel, der sich unterm Beiwagen befindet, betätigt werden. Dadurch wird die Zahnstange wieder in die Ausgangslage zurückgestellt.
Die Abreißbremse besteht aus dem Karabinerhaken, der Abreißkette, dem Sollbruchglied am Karabinerhaken, dem Bremsseil, dem Rollenbock mit Umlenkrollen, der Zahnstange mit Gehäuse und Lösehebel sowie dem Gestänge zur Handbremse.